#Futureshaper

Ein Erforscher von Extended Reality

Eine Zukunft der Medizintechnik ohne Extended Reality (XR)? Für XR Senior Key Expert Anton Ebert undenkbar. Der vielseitige „Grenzgänger“ zwischen verschiedenen Disziplinen sieht XR als eine Schlüsseltechnologie, die Brücken baut – zwischen menschlicher und digitaler Welt. Lesen Sie mehr in Teil fünf unserer Serie #Futureshaper.

8min
Katja Gäbelein
Veröffentlicht am 11. Oktober 2022

Geschickt aussehende Gesten, doch scheinbar ohne Ziel: Anton Eberts Hände bewegen sich konzentriert durch die Luft. Von außen betrachtet hat das eine eigenartige Ästhetik, die einen stellenweise an die chinesische Bewegungskunst Tai Chi denken ließe. Wenn da nicht die Virtual Reality-Brille auf Antons Kopf wäre.

Anton steht auf der Dachterrasse eines Bürogebäudes in Erlangen. Doch sein Kopf steckt in einem virtuellen Untersuchungsraum. Mit Handgesten steuert er dort ein virtuelles Röntgengerät, unter dem das Bein eines virtuellen Patienten liegt. „Der vermutlich größte Vorteil von Extended Reality ist, dass man die Anwendungen jederzeit und überall nutzen kann“, sagt Anton.


Anton Ebert

Der 32-Jährige, der sich mit einer Prise Selbstironie als „technikaffinen Nerd“ bezeichnet, kam vor über sechs Jahren zu Siemens Healthineers. Zunächst arbeitete er im Bereich Customer Services im Education-Projekt, das sich um digitale und immersive Trainingsmöglichkeiten kümmert, in der Produktentwicklung in Kooperation mit Kund*innen.

Unter Immersion versteht man in diesem Zusammenhang das Eintauchen in eine virtuelle Umgebung.

Inzwischen ist Anton Ebert als Senior Technology Manager in das Team Enterprise Transformation & Collaboration gewechselt. Hier treibt er gemeinsam mit seinen Kolleg*innen das Thema Digitalisierung mit dem Fokus auf Extended Reality voran und entwickelt Konzepte für XR-Anwendungen.

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Zudem ist er Senior Key Expert für Extended Reality (XR) und bringt – gemeinsam mit Kolleg*innen aus der XR-Community, der sogenannten ASOR („all sorts of reality“) Community – die unternehmensweite Extended Reality-Strategie voran. Das ehrgeizige Ziel: die Technologie im Unternehmen weiter zu etablieren und langfristig immer stärker in das Kerngeschäft von Siemens Healthineers zu integrieren – über die verschiedenen Geschäftsfelder und Produktlinien hinweg.

Die Key Expert Community ist ein Karriereweg bei Siemens Healthineers. Key Expert*innen kümmern sich darum, Innovationen in ihrem Fachgebiet voranzubringen.

Studiert hat Anton eigentlich Media Engineering, eine Fachrichtung an der Schnittstelle zwischen Medieninformatik und Mediendesign. Hier werden sowohl die Grundlagen digitaler Technik als auch Design gelehrt. In seinem Studium und in ersten beruflichen Stationen hat er sich mit Game Design, User Experience (UX), Kameraarbeit, Audio-Design und 3D-Modellierung beschäftigt. 

Eine gute Mischung, um als „Grenzgänger“ zwischen verschiedenen Disziplinen das zu tun, was Anton als Stratege und Konzeptentwickler innerhalb der XR-Community tut: Er kann sich mit Programmierer*innen genauso austauschen wie mit UX-Designer*innen, umreißt die technischen Anforderungen einer XR-Anwendung ebenso wie Herausforderungen aus gestalterischer Sicht. 

Auch der Blick „über den Tellerrand“ ist zentral, um am Puls neuester Entwicklungen zu bleiben: Anton und seine Kolleg*innen aus der XR-Community arbeiten häufig mit externen Partnerunternehmen wie Start-ups zusammen. Besonders wichtig ist Anton der Austausch mit seinen Werkstudent*innen, die vorwiegend aus den Fachrichtungen Media Engineering und Psychologie kommen, und an allen zentralen Projekten mitarbeiten: „Sie bringen einfach ein frisches Mindset mit und neue, innovative Ideen.“

Anton, smiling, bent over a tablet, talking to a group of smiling working students.

Was auch dazu gehört: Der virtuelle Spieltrieb. „Alle Kolleg*innen, die mit Augmented und Virtual Reality arbeiten, spielen privat Videospiele – ich natürlich auch“, gesteht Anton lachend: „Das ist für den Job gut, um zu verstehen: Wie funktionieren Spiele? Wie schaffen wir es, dass sich Menschen beim Spielen begeistert und glücklich fühlen? Wie bleiben sie längerfristig involviert? Schließlich wollen wir nicht, dass die Leute, die unsere Schulungsanwendungen nutzen, nach zwei Minuten aufhören, weil sie sich langweilen.“ 

Jede*r, der*die mal eine VR- oder AR-Brille aufgesetzt hat, kann diese Erfahrung selbst machen: Was für eine Neugierde und Begeisterung diese Technologien auslösen können. Diese Emotionen lassen sich für kreative und nachhaltige Lernerfahrungen nutzen. Es gibt Studien, die den Erfolg der Technologien im Education-Bereich belegen.

Eine Studie aus dem Jahr 2020 beleuchtet, wie gut Soft Skills mithilfe von VR-Schulungen im Vergleich zu anderen Schulungsformen erlernt werden konnten. Die VR-Proband*innen lernten viermal schneller und waren emotional involvierter:

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Portrait of Anton. He is smiling, leaning against a glass door, and holding a pair of virtual reality glasses in his hands. You can see his reflection in the glass door.

Aber wo und wie genau kann Extended Reality in der Medizintechnik genutzt werden? Bei dieser Frage im #Futureshaper -Interview hält Anton kurz inne und sortiert seine Gedanken. Warum, erschließt sich wenig später: So breit gefächert sind die aktuellen und künftigen Einsatzmöglichkeiten, dass die Fülle einen fast ein wenig überfordert.  

Extended Reality sei für ihn eine der Schlüsseltechnologien, um eine Brücke zwischen der menschlichen und der digitalen Welt zu schlagen, digitale Inhalte auf natürliche Weise interaktiv zu gestalten, erklärt Anton dann. Mit der Möglichkeit, Geräte und Prozesse zu visualisieren und zu simulieren, biete Extended Reality eine große Bandbreite an Vorteilen für verschiedene Zielgruppen. Hier ein paar von Anton ausgewählte Beispiele:

Ob technische*r Entwickler*in, kreative*r Business-Manager*in oder Produktdesigner*in: In unserer #Futureshaper-Reihe stellen wir Ihnen Mitarbeiter*innen vor, die mit ihren innovativen Ideen dazu beitragen, Pionierarbeit im Gesundheitswesen zu leisten.

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Schon heute profitieren Kund*innen von Siemens Healthineers, Kliniken, Ärzte und Ärztinnen, medizinisches Personal sowie medizinische Hochschulen und ihre Student*innen von den Trainingsszenarien, die durch Virtual und Augmented Reality möglich werden:

An der School of Medicine am University College Dublin (UCD), Irland, trainieren Radiographie- und Medizinstudent*innen mithilfe von Skilitics VR X-RAY. Mit dem VR-basierten, mobilen Röntgentraining üben die Student*innen an virtuellen Röntgengeräten, die passende Strahlendosis für anatomisch korrekt simulierte Patient*innen anzuwenden. Bis zu 50% der praktischen Ausbildung an einem physischen Gerät könnten auf diese Weise ersetzt werden.

Hier finden Sie einen digitalen Flyer:

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Augmented-Reality-Konzepte wie die von Anton mitentwickelte mobile Schulungsanwendung ExpertGuidance für Tablets helfen klinischem Personal beim Equipment-Onboarding neuer Systeme von Siemens Healthineers, bei der Einarbeitung neuer Kolleg*innen und regelmäßigen Fortbildungen.

Hier finden Sie einen digitalen Flyer über die mobile Augmented-Reality-Schulungsanwendung:

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Simulation und Augmented Reality können auch dabei unterstützen, den menschlichen Körper besser zu visualisieren und zu verstehen: Am Universitätsklinikum Erlangen  arbeiten Mediziner*innen in der Abteilung für Kinderkardiologie mit einer Kombination aus der fotorealistischen Visualisierungstechnologie Cinematic Rendering und Augmented bzw. Mixed Reality. So lassen sich detaillierte 3D-Ansichten von Patient*innenherzen in Hologramme verwandeln, die gezoomt und aus allen möglichen Perspektiven betrachtet werden können. Das hilft den Mediziner*innen, Eingriffe an kleinen Kinderherzen besser zu planen.

Hier lesen Sie die ganze Geschichte von Dr. Muhannad Alkassar und seiner Arbeitsgruppe in der Abteilung für Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Erlangen:

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Mit dem Partner PrecisionOS hat Siemens Healthineers ein immersives Virtual Reality-Training entwickelt: Die Software ermöglicht es Chirurg*innen und Techniker*innen, die gemeinsamen Arbeitsabläufe mit dem mobilen 3D-C-Bogen Cios Spin zur intraoperativen 3D-Bildgebung in einer virtuell-realistischen Umgebung authentisch zu üben.

Hier finden Sie weiter gehende Informationen:

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Close-up of virtual reality glasses with slight blur in background.

Lösungen wie die oben beschriebenen können dazu beitragen, klinische Prozesse zu optimieren, Zeit und Kosten zu sparen, und Fehler in der klinischen Realität zu vermeiden.

Und das alles könnte noch viel weiter gehen, sagt Anton: „Für die Zukunft streben wir danach, in der Lage zu sein, kombinierte Arbeitsabläufe von mehreren medizinischen Geräten und mehreren Mediziner*innen zu simulieren.“ In noch weiterer Zukunft könnten dann virtuelle Patient*innen hinzukommen.

Von diesen Lösungen profitieren natürlich auch „reale“ Patient*innen. Da gäbe es künftig ebenfalls noch viel Entwicklungspotenzial: „Mithilfe von Virtual Reality könnten wir beispielsweise Patient*innen, die Angst vor medizinischen Untersuchungen haben, in eine schöne oder gemütliche virtuelle Umgebung ‚teleportieren‘. Oder sie ein Stück weit von ihren Schmerzen ablenken.“

Extended Reality könnte längerfristig die Art der Zusammenarbeit in einem globalen Unternehmen wie Siemens Healthineers auf ein neues Level heben: Die XR-Community experimentiert bereits damit, mithilfe von Avataren in VR-Meeting-Räumen zusammenzukommen. „Die Technologie hilft uns dabei, natürlicher miteinander zu interagieren, weil sie uns das Gefühl vermittelt, im selben Raum zu sein – wesentlich besser, als das heute ein Videostream kann“, erzählt Anton.

Mitarbeiter*innen von Siemens Healthineers könnten, ebenso wie Kund*innen, von allen möglichen virtuellen Trainings- und Onboarding-Szenarien profitieren. Zur weiteren Optimierung der Fertigung medizinischer Geräte wären Szenarien mit Augmented Reality-Brille oder -Tablet denkbar. Beispielsweise über eine virtuelle Checkliste mit Step-by-Step-Anleitungen, die vor den realen Umgebungen eingeblendet werden könnte, um die Arbeiter*innen im Produktionsprozess zu unterstützen. 

XR könnte auch die Art revolutionieren, wie wir als Unternehmen künftig an Innovationen arbeiten: Siemens Healthineers unterhält mehrere Innovationszentren, unter anderem im chinesischen Shanghai und im indischen Bangalore. Es sind physische Orte, an denen Forscher und Forscherinnen gezielt an neuen technischen Innovationen arbeiten.

Auch hier sollen Extended Reality-Technologien künftig ihre Stärken ausspielen können, erzählt Anton: „Wir planen derzeit ein virtuelles Innovationszentrum. Es soll unseren Forscherinnen und Forschern weltweit ermöglichen, mit Hilfe von intelligenten Umgebungen und virtuellen Avataren ortsunabhängig zusammenzuarbeiten.“

Nie war die Welt stärker vernetzt als heute. Und doch ist räumliche Distanz manchmal unumgänglich – das hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie gelehrt. XR kann neue Räume erschaffen, in denen Menschen miteinander interagieren können – egal, wo sie gerade sind. Extended Reality-Technologien können dabei helfen, überflüssige Reisen zu vermeiden, somit Kosten zu sparen und den ökologischen Fußabdruck eines Menschen zu verkleinern.

Back view of Anton, holding a pair of virtual reality glasses. Opposite is a glass facade in which he is reflected.

Nicht zuletzt eröffnet XR Chancen in Bezug auf andere Zukunftstechnologien wie Digital Twinning, erklärt Anton: „XR kann visuell zunächst abstrakte Digital Twins von Geräten oder Menschen sichtbar und sozusagen berührbar machen. Dank Extended Reality könnten wir irgendwann mit ihnen interagieren.“

Hier finden Sie einen Artikel über erste Erfolge im Bereich Digital Twinning und Herausforderungen auf dem Weg zum Digitalen Patiet*innenzwilling.

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Theoretisch böten auch revolutionäre Zukunftskonzepte wie das derzeit im Silicon Valley gehypte digitale Microsoft-Parallel-Universum Metaverse, viele Chancen für die Medizintechnik: eine komplette digitale Welt, bestehend aus digitalen Repräsentationen von Menschen, Dingen und Orten. Sozusagen eine neue Form von Internet, in dem wir mithilfe von Virtual Reality fast genauso wie in der physischen Welt interagieren könnten. 

Die schöne neue virtuelle Welt birgt aber auch zahlreiche Risiken: „Bis wir als Unternehmen hier realistisch umsetzbare Konzepte entwickeln könnten, müssen erst noch sehr viele grundsätzliche Fragen geklärt werden“, erläutert Anton. Fragen wie: Welche Form von Metaverse wird sich am Ende durchsetzen? Wem gehört dieses Metaverse? Wer reguliert ein Metaverse? Und wie sicher sind sensible Daten dort?

Und wie könnte es das Gesundheitswesen verändern? Eine Zukunftsvision dazu lesen sie hier:

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Die Erfahrung des tatsächlichen Berührens kann Extended Reality nicht bieten. Oder vielmehr: noch nicht. Denn auch hier gibt es bereits Forschungsarbeiten: „Geforscht wird an Vibrationssensoren, die einen denken lassen, dass man etwas anfasst, oder an Exoskeletten, die Widerstände simulieren können“, erzählt Anton. Beispielsweise chirurgische Trainings könnten durch solche künftigen Entwicklungen noch viel realistischer gestaltet werden.

Anton is sitting relaxed on a beanbag chair. He has placed his outstretched feet with sneakers on a seat cushion.
Klar ist für Anton soviel: „Extended Reality wird auf uns alle in irgendeiner Weise Einfluss nehmen.“ Doch bei allem, was in Bezug auf XR theoretisch in Zukunft möglich sein könnte, ist es ihm wichtig, dass die XR-Community „auf dem Boden bleibt“: „Wir müssen als Entwickler*innen ständig mit unseren Kund*innen im Gespräch bleiben: Was brauchen sie wirklich? Und nicht einfach das entwickeln, was in der Theorie technisch möglich wäre“, sagt Anton. Das gelte nicht nur für technologische, sondern auch für ethische Aspekte rund um das Thema XR. 

Privat mag es Anton Ebert lieber bodenständig als „nerdig“. Da werkelt er mit seinen Händen nicht im leeren Raum, sondern in seiner eigenen Hobbywerkstatt. Mit Holz. Ganz ohne VR-Brille: „Denn auch das gehört zum Leben dazu“.


Von Katja Gäbelein

Katja Gäbelein ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers und spezialisiert auf Technologie- und Innovationsthemen. Sie arbeitet als Autorin für Text und Film. 

Redaktionsassistenz: Guadalupe Sanchez