Innovationskultur

Die Grenzen der MRT überwinden

Wie es unseren Ingenieur*innen gelang, zwei bisher unvereinbare Aspekte miteinander zu kombinieren: die schnelle Erzeugung eines sehr starken Magnetfeldgradienten.

5min
Andrea Lutz
Veröffentlicht am June 2, 2023
Zwei Hauptfaktoren bestimmen die Qualität eines MRT-Scans: die Stärke des vom Scanner erzeugten statischen Magnetfelds und die Leistung der Gradientenspule. Um heute in der MRT deutliche Verbesserungen zu erzielen, muss man sich die einzelnen technischen Komponenten genauer ansehen. Genau das haben Simon Bauer, Swen Campagna, Michael Köhler, Andreas Krug und Dirk Schneiderbanger getan. Gemeinsam mit vielen verschiedenen Teams haben sie ein völlig neues technisches Prinzip für die MR-Bildgebung entwickelt und zur Produktionsreife gebracht.

Um zu verstehen, was für eine bedeutende Leistung unsere Teams erbracht haben, müssen wir uns genauer ansehen, wie MRT funktioniert.

Fangen wir mit den Grundlagen an: Ein MR-Bild reagiert auf das Vorhandensein von Protonen. Wasser enthält zum Beispiel zwei Protonen, Fett und andere Körpergewebe sogar noch mehr. Jedes Proton verfügt über sein eigenes winziges Magnetfeld, das auf seinen sogenannten Spin zurückzuführen ist. Außerhalb eines MRT-Scanners sind die vielen Millionen Protonen und ihre winzigen Magnetfelder unterschiedlich ausgerichtet und heben sich somit gegenseitig auf. In magnetischer Hinsicht ist eine Person also neutral. Das ändert sich jedoch, wenn man sie in das Magnetfeld eines MRT-Geräts bringt. 

Dann richten sich die Protonen mit ihren winzigen Magnetfeldern nach dem Hauptmagnetfeld des MRT aus. Nach der Anregung, also unter Einfluss von Hochfrequenzpulsen, richten sich die Protonen gleich aus und können nun in ein Bild umgewandelt werden. Die Frequenz dieser Anregung entspricht der Spinfrequenz der Protonen. So entsteht ein Resonanzphänomen, daher auch der Name: Magnetresonanztomographie.

In einem MRT-Scanner wird mit Hilfe einer supraleitenden Magnetspule ein starkes, statisches Magnetfeld erzeugt. Die Spule wiegt mehrere Tonnen und verleiht dem MRT seine typische Form. Gradientenspulen verändern das Magnetfeld lokal, sodass sich Signale aus verschiedenen Körperregionen unterschieden lassen.

Mit anderen Worten: Die Gradientenspulen verändern das Hauptmagnetfeld in vorhersehbaren Mustern und kodieren das MR-Signal räumlich. So lassen sich die induzierten, nach der Anregung durch Protonen verursachten Pulse in der Empfangsspule genau lokalisieren. Das MRT-System misst diese Signale und erstellt daraus ein Bild des untersuchten Körpers. 

Gradientenspulen sind auch entscheidend für diffusionsgewichtete Bildgebung, ein einzigartiges Merkmal von MRT. Damit lässt sich der Diffusionsprozess von Molekülen wie Wasser im Gewebe abbilden und es entstehen einzigartige Kontraste in den MR-Bildern.

A set of electromagnets embedded in the body of the MR magnet assembly.

Jahrelang haben Entwicklungsteams geforscht, wie sich die Stärke des magnetischen Gradientenfeldes am besten verstärken lässt. Ein Dilemma dabei bestand darin, dass bei einem stärkeren magnetischen Gradientenfeld die Gradientenanstiegszeit eingeschränkt ist. Einige Applikationen benötigen jedoch beide Aspekte. 

Hier ein Beispiel: Ein starkes und zugleich schnell erzeugtes Gradientenfeld kann helfen, neurodegenerative Krankheiten wie Multiple Sklerose auch zwischen Krankheitsschüben besser zu verstehen. Wichtige Mikrostrukturen, die sich mit der klassischen MR-Bildgebung nicht sichtbar machen und unterscheiden lassen, könnten mit Hilfe starker Gradienten deutlicher erkennbar werden. Leistungsfähigere Diffusionsbilder könnten uns also ein besseres Verständnis von Krankheitsverläufen erlauben, jedoch ließe sich ein starkes und zugleich schnell erzeugtes Gradientenfeld nur durch eine völlig neu konzipierte Gradiententechnologie realisieren.

Die Idee hinter dem neuen Konzept ist, anstelle nur eines einzigen leistungsstarken Gradientenverstärkers (Gradient Power Amplifier oder GPA) zwei einzelne Verstärker zu verwenden. Mit diesem Ansatz wird zuvor Unmögliches nun also möglich.

Die Umsetzung einer neuen Technologie ist jedoch nicht einfach. Unsere Ingenieur*innen mussten viele Herausforderungen bewältigen, um das physikalische Konzept in ein fertigungsgerechtes Konzept umzusetzen. Dazu gehörten die Synchronisierung der beiden GPAs, die Erhöhung der Gradientenleistung und das Management der entstehenden Wärme.
Leistungsfähigere Ganzkörper-Gradientenspulen könnten die diffusionsgewichtete Bildgebung erheblich verbessern, zu neuen Erkenntnissen über grundlegende Mikrostrukturen von Gewebe führen und damit den Grundstein für neue Forschung legen. Der neue Ansatz hat das Potenzial, die Bahnen und neuronalen Netze des menschlichen Gehirns besser sichtbar zu machen. Einblicke in die Zusammenhänge im menschlichen Gehirn sind wiederum wichtig, um neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson besser zu verstehen.

Von Andrea Lutz
Andrea Lutz ist Journalistin und Business-Trainerin mit den Schwerpunkten Medizin, Technik und Healthcare IT. Sie lebt in Nürnberg, Deutschland.