Robotics

Im Deutschen Museum auf der Reise ins Ich

Roboter sind heute so präzise, dass sie kleinste Gegenstände zielgenau platzieren können. Welche Möglichkeiten bieten sich dadurch in der Medizin? Eine neue Ausstellung im Deutschen Museum macht das für Interessierte begreifbar.
3min
Andrea Lutz
Veröffentlicht am 7. Juli 2022

Alles neu im Deutschen Museum! Mit diesem Versprechen öffnen im Sommer 2022 die Ausstellungen von Atomphysik bis Robotik im generalsanierten Teil des Deutschen Museums für alle Besucher*innen in München, Deutschland. Die Ausstellung „Gesundheit“ ist eine von 19 komplett neu konzipierten Bereichen – mit einem Katheterlabor als Herzstück.

Schon auf den ersten Blick ist diese Ausstellung nah dran am Menschen: Ein gigantisches Körpermodell füllt den Raum – der Kopf ist begehbar, unter der Decke schwebt ein stilisiertes Brustkorbgerüst, ein fünf Meter hoher Fuß markiert das Ende der Halle. Der Rundgang führt die Besucher*innen von den Zähnen, Augen und Ohren über das Herz-Kreislaufsystem bis zu den Gelenken. Die jüngeren Entdecker folgen Eule Milla auf der Kinderspur.

Hier gibt es keine grauen Eminenzen der Medizingeschichte zu sehen. Stattdessen sind echte Patient*innen im Interview zu hören, die davon berichten, wie sich das Leben mit einem Cochlea-Implantat oder mit einer Beinprothese anfühlt. Thematisiert wird vieles, was Besucher*innen mitunter ganz persönlich betrifft: Man kann etwas über Augenerkrankungen wie den grauen Star lernen, erfahren, wie Arterienverkalkung entsteht oder wie Vektorimpfstoffe funktionieren. Interaktive Stationen erfordern Geschick beim Anfertigen einer chirurgischen Naht.

Das Cochlea-Implantat ist eine Hörprothese für Gehörlose und Ertaubte. Es wird operativ eingesetzt und reizt elektrisch den Hörnerv entsprechend der jeweiligen Tonhöhe und Lautstärke, so dass ein Höreindruck im Gehirn entsteht.
Wer sich etwas Zeit nimmt, wird seinen „blinden Fleck“ entdecken und sogar erfahren, wie sich das eigene Lebensalter durch bestimmte Verhaltensweisen verlängert oder eben auch verkürzen kann.
Exhibition Deutsches Museum
Das Deutsche Museum war schon immer ein Haus, in dem man Wissenschaft und Technik im wahrsten Sinn des Wortes begreifen sollte. Dr. Florian Breitsameter, der kuratorische Leiter der Ausstellung Gesundheit und Kurator für Pharmazie und Medizintechnik präsentiert stolz das, was vor zehn Jahren erstmals als Idee auf einem Whiteboard in seinem Büro skizziert wurde.

Florian Breitsameter, curatorial director of the health exhibition and curator for pharmacy and medical engineering

Die von Siemens Healthineers eingebrachten Exponate sind wichtige Fixpunkte des Rundgangs: Da ist ein OP-Tisch mit dem Angiografie-System ARTIS pheno zu sehen, das für den Einsatz in der minimal-invasiven Chirurgie und interventionellen Kardiologie entwickelt wurde. Besucher*innen erleben ein modernes Herzkatheter-Labor mittels Simulation und können an einem Patientenmodell erfahren, wie eine Stentimplantation kontrolliert wird.

Dieser minimal-invasive Eingriff wird bei Patient*innen mit verengten Blutgefäßen im Herzkatheterlabor vorgenommen. Über einen Katheter wird ein Ballon an die Engstelle im Gefäß geführt. Dort wird dann ein Drahtgeflecht – der Stent – eingesetzt, um die Engstelle zu stützen.

Besonders nah gehen die Fälle im Zentrum der Ausstellung: Hier werden auf einem digitalen Untersuchungstisch echte Geschichten von Patient*innen mit schweren Erkrankungen erzählt.

 „Frau Eicke“ ist eine dieser Patientinnen. Ihr Name ist zwar erfunden, ihre Geschichte dafür umso realer: Im Rahmen eines Lungenscreenings wurde eine Auffälligkeit entdeckt. Als Raucherin gehört sie zu einer Risikogruppe für bösartige Veränderungen der Lunge. Tatsächlich zeigte eine genauere Untersuchung an der Heidelberger Thoraxklinik: Adenokarzinom im Frühstadium.

Ein Adenokarzinom ist ein bösartiger Tumor, der aus Drüsengewebe hervorgeht. Adenokarzinome sind der häufigste Subtyp des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, kommen aber auch als Magenkrebs und Darmkrebs vor.

Auf einem interaktiven Tisch können die Besucher*innen die Geschichte von Frau Eicke nachvollziehen, klinische Bilder betrachten und ihre Einschätzung zu den erforderlichen Therapiemaßnahmen einem Realitätscheck unterziehen. Im echten Leben fand die Geschichte von Frau Eicke ein Happy End. Bereits während der Verlaufskontrolle des Lungenherdes hat die Patientin aufgehört zu rauchen. In der CT-Nachsorge zeigte sich kein Rest oder Rezidiv. Frau Eicke hat Glück gehabt, dass ihr Lungenkrebs so früh erkannt und komplett operiert werden konnte und ist nach der Entfernung eines von fünf Lungenlappen nicht in ihrem normalen Leben eingeschränkt. In der Realität sind es nur 21 Prozent bei den Frauen und 15 Prozent bei den Männern, die nach dieser Diagnose dieses Happy End erleben1.

Ein Rezidiv ist ein Rückfall und damit ein Wiederauftreten einer Erkrankung nach zeitweiliger Heilung.

Der Generaldirektor des Deutschen Museums, Professor Dr. Wolfgang M. Heckl ist dankbar, dass der Kontakt mit Spitzenmedizinern und Herstellern ermöglicht wurde: „Siemens Healthineers ermöglicht es den Besucher*innen des Deutschen Museums, modernste Medizintechnik zu erleben.“


Anka Müller, PhD, scientific assistant

Wer begreift, was Pharmazie und Medizintechnik im Dienst des Menschen leistet und wie verschiedene Disziplinen dazu beitragen, gesund zu werden und zu bleiben, dem wird in dieser neuen Ausstellung vielleicht die Angst vor den notwendigen Untersuchungen und Behandlungen im Falle einer schweren Erkrankung genommen.

Von Andrea Lutz
Andrea Lutz ist Journalistin und Business-Trainerin mit den Schwerpunkten Medizin, Technik und Healthcare IT. Sie lebt in Nürnberg, Deutschland.