Bildgebung

„Der photonenzählende CT-Scanner ist unser Arbeitspferd“

In der Herzbildgebung macht die photonenzählende Computertomographie (CT) kleine Koronargefäße, Stents und Plaques in hoher Auflösung sichtbar und gibt Ärzt*innen präzise Antworten für ihre Behandlungs- und Therapieentscheidungen. 

4min
Doris Pischitz
Veröffentlicht am 15. November 2022

Kardiologe und Radiologieprofessor Dr. Pál Maurovich-Horvat1 berichtet über seine Erfahrungen mit der neuen Technologie. 

Pál Maurovich-Horvat ist Leiter des Zentrums für medizinische Bildgebung und Fachbereichsleiter für Radiologie an der Semmelweis Universität in Budapest, Ungarn.

Wir haben den Scanner gleich nach dem RSNA im Dezember 2021 installiert und ein paar Tage später mit dem Scannen von Patient*innen begonnen. Unsere Erwartungen waren natürlich hoch. Und die ersten Bilder haben uns nicht enttäuscht! Einer unserer ersten Fälle auf dem NAEOTOM Alpha2 Scanner war ein Patient nach einer TAVI [Transkatheter-Aortenklappen-Implantation] mit Verdacht auf eine Klappenthrombose. Wir waren beeindruckt von der gestochen scharfen Bildqualität, die dem geringen Bildrauschen und der hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung des neuen Scanners zu verdanken ist.

Herkömmliche CT-Scanner eignen sich wegen der Dauer der Bildaufnahme, der räumlichen Auflösung und der Auflösung des Weichteilgewebes für die Herzbildgebung nur bedingt. Die besten Scanner mit herkömmlichen energieintegrierenden Detektoren haben eine isotrope Auflösung von 0,5 bis 0,6 Millimetern. Daher haben selbst die besten dieser Scanner Probleme mit der Wiedergabe stark verkalkter Koronararterien und von Stents. Darüber hinaus ist es bei herkömmlichen CT-Scannern aufgrund der begrenzten Graustufenauflösung oft schwierig, zwischen perikoronarem Fett und nicht verkalkter Plaque mit geringer Abschwächung zu unterscheiden. Dabei ist jedoch die zeitliche Auflösung der wohl wichtigste Faktor für eine solide Bildqualität in der kardialen CT-Bildgebung. Einige herkömmliche Scanner bieten zwar hohe Bildgebungsgeschwindigkeit, doch sind die räumliche Auflösung und die Auflösung des Weichteilgewebes nach wie vor begrenzende Faktoren.

Die räumliche Standardauflösung des NAEOTOM Alpha Scanners beträgt 0,4 Millimeter, was die Bildqualität von Herzuntersuchungen deutlich verbessert. Mit einer besseren räumlichen Auflösung lassen sich Gefäßeinengungen besser quantifizieren und atherosklerotische Plaques in den Koronararterien besser beurteilen. Die inhärente Verfügbarkeit spektraler Daten hilft sehr, Kalziumüberstrahlung zu reduzieren und eine bessere Auflösung von Weichteilgewebe zu erzielen. Unser Scanner hat vor kurzem ein größeres Software-Update erhalten und kann nun das Herz mit einer räumlichen Auflösung von 0,2 Millimetern abbilden, was eine bahnbrechende Verbesserung ist [Abbildung 1].

Bild einer In-Stent-Restenose, aufgenommen mit photonenzählender CT.
Die ultrahochauflösenden [UHR] Koronar-CT-Angiographien [CTA] verblüffen uns jedes Mal, wenn wir uns die Bilder ansehen. Die Stentgitter und selbst minimale In-Stent-Restenosen sehen zu können, ist eine neue Erfahrung für uns. Meiner Meinung nach ist der UHR-Modus derzeit die interessanteste Funktion des Scanners für die Herzbildgebung.

Wir beginnen unsere Herzuntersuchungen in der Regel mit einem niedrig dosierten Kalzium-Score. Wenn wir eine erhöhte Kalziumbelastung feststellen, fahren wir mit einer UHR-Koronar-CTA fort. Die UHR-Bildgebung reduziert Kalziumüberstrahlung. So können wir in schwierigen Fällen eine obstruktive Erkrankung mit viel größerer Sicherheit ausschließen. Wir verwenden UHR-Bildgebung auch bei Patient*innen mit Stents. Wir sind ziemlich sicher, dass der herkömmliche Schwellenwert von 3 Millimetern Stentdurchmesser für die kardiale CT bei einem photonenzählenden Scanner bei 2 bis 2,5 Millimetern liegen wird. Wichtig ist, dass der UHR-Modus auch sehr dosiseffizient ist. Wir waren überrascht, dass UHR-Herz-Scans ein Dosislängenprodukt [DLP] von weniger als 200 Milligray-Zentimetern aufweisen. Natürlich haben standardmäßige Herz-Scans mit einer Auflösung von 0,4 Millimetern sehr niedrige DLPs (etwa 50 Milligray-Zentimeter), doch mit UHR gewinnen wir Informationen, die mit herkömmlichen Scannern unerreichbar waren.

Vor allem bei Patient*innen mit erhöhtem Risiko einer Nierenschädigung ist der verbesserte Bildkontrast durch spektrale Rekonstruktionen hilfreich, da niederenergetische virtuelle monoenergetische Bilder [VMIs] das Jodsignal erhöhen.

Die VMIs sind nicht nur hilfreich, um die Jodbelastung zu verringern, sondern verbessern auch die Diagnosesicherheit bei Patient*innen mit stark verkalkten Plaques. Die hochenergetischen VMIs helfen, Überstrahlungsartefakte zu reduzieren. Mit der Flash-CT-Bilderfassung können wir routinemäßig Scans im Submillisievert-Bereich mit Spektraldaten erstellen.

Pál Maurovich-Horvat spricht über photonenzählende CT in der Kardiologie.

Der photonenzählende CT-Scanner ist unser Hauptscanner. Er ist unser Arbeitspferd. Herzbildgebung macht nur einen kleinen Teil der Untersuchungen aus, die wir mit unserem NAEOTOM Alpha durchführen. Der Scanner liefert in jedem Bereich hohe Bildqualität. Unsere Kolleg*innen aus der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung sind begeistert von den schönen, hochauflösenden Bildern, die er vom Innenohr und den Cochlea-Implantaten macht. Unsere Kolleg*innen aus der Lungenheilkunde machen ähnliche Erfahrungen mit Bildern des Brustkorbs. Und unsere Chirurg*innen lieben die hochauflösenden Cinematic Rendering-Darstellungen des Abdomen.

Für herkömmliche Scanner ist ein Patient mit einem „Full Metal Jacket“, in diesem Fall 15 Stents in der linken und rechten Koronararterie, im Grunde eine unmögliche Aufgabe. Mit dem photonenzählenden Scanner konnten wir selbst bei kleineren Stents eine In-Stent-Restenose ausschließen und den problematischen proximalen Stent der linken anterioren absteigenden Arterie mit schwerer Restenose identifizieren [Abbildung 2].

Image of severe stenosis acquired with photon-counting CT.
Die größere Informationstiefe bietet neue Möglichkeiten für Präzisionsdiagnostik und Phänotypisierung von Krankheiten. Mehr Voxel bedeuten mehr Informationen. Und die Spektraldaten ergänzen die bereits umfangreichen Datensätze um eine weitere Dimension. Die Herausforderung besteht darin, diese Daten bestmöglich zu nutzen. Wir arbeiten an mehreren Projekten, die mit Radiomik und maschinellem Lernen Informationen extrahieren, die für das menschliche Auge im Wesentlichen unsichtbar sind.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die photonenzählende Technologie die CT-Bildgebung im kommenden Jahrzehnt verändern wird. Das ist das nächste große Ding. Es ist absehbar, dass Photonenzählung in ein paar Jahren der Standard für CT sein wird. Sie liefert mehr Informationen bei geringerer Strahlung als herkömmliche CT-Scanner. Das ist in der Tat eine gute Kombination! Wie ich bereits sagte, ist UHR derzeit meine Lieblingsfunktion des Photonenzählers. Meine zweitliebste Funktion ist wahrscheinlich die Multikontrast- oder K-Edge-Bildgebung. Sie wird völlig neue Wege in der Diagnostik eröffnen.

Professor Dr. Pál Maurovich-Horvat ist auch einer der Sprecher in unserer Siemens Healthineers Shape 23 Keynote. Er und einige der angesehensten Expert*innen im Gesundheitswesen sprechen darüber, wie mehr Patient*innen eine qualitativ hochwertige Versorgung zuteil werden kann, wie die Herausforderungen, die Krebs mit sich bringt, angegangen werden können und wie der Personalmangel im Gesundheitswesen bewältigt werden kann.

Von Doris Pischitz
Doris Pischitz ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers. Das Team ist spezialisiert auf Themen rund um Gesundheit, Medizintechnik, Krankheitsbilder und Digitalisierung.