Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz im Kampf gegen den Krebs

Bereits heute kommt KI eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Krebs zu
Kathrin Palder
Veröffentlicht am 6. April 2023

Krebs – die versteckte Pandemie. Jedes Jahr wird die Krankheit bei mehr als 18 Millionen Menschen weltweit diagnostiziert, und diese Zahl wird bis 2040 voraussichtlich auf 30 Millionen ansteigen.[1] Gleichzeitig ist ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften im Gesundheitswesen zu erwarten. Künstliche Intelligenz (KI) kann eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielen. Bereits heute kommt KI eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Krebs zu – von der Früherkennung über die Entscheidungsfindung und Therapieplanung bis hin zur eigentlichen Therapie und Nachsorge.

Anders als der Mensch ermüdet Künstliche Intelligenz nicht. Sie liefert immer die gleiche standardisierte Qualität – auch nach einem langen Arbeitstag. Deshalb können bestimmte Aufgaben, die in der klinischen Routine viel Zeit in Anspruch nehmen, automatisiert und standardisiert werden, um Ärzt*innen von mühsamen und sich wiederholenden Aufgaben zu entlasten und gleichzeitig Patient*innen eine präzise Diagnose und Behandlung zu ermöglichen. Dies ist bei der Krebsbehandlung von entscheidender Bedeutung, denn je früher und genauer Krebs diagnostiziert wird, desto höher sind die Heilungschancen. Ein weiterer Vorteil einer früheren Diagnose und Behandlung: Wenn mehr Patient*innen früher behandelt werden, können die finanziellen Auswirkungen von Krebs erheblich verringert werden.[2] Zum einen sind die Kosten für eine frühzeitige Krebsbehandlung viel geringer. Zum anderen können Betroffene schneller an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, benötigen weniger Nachbehandlungen und haben generell eine bessere Lebensqualität. 

Im Bereich der Früherkennung und Diagnose hat Siemens Healthineers eine Reihe von „automatisierten Helfern“ entwickelt, um Arbeitsabläufe zu beschleunigen – und einige von diesen kommen speziell bei der Diagnose und Behandlung von Krebs zum Einsatz. Basierend auf Deep-Learning-Algorithmen kann diese Familie von „AI-Rad Companion“-Anwendungen1 eine Vielzahl von Funktionen unterstützen, wie beispielsweise das Hervorheben von Anomalien, die Segmentierung von Anatomien und den Vergleich von Ergebnissen mit Referenzwerten.

Weil KI bestimmte Schritte automatisiert, bleibt mehr Zeit für individuelle Patient*innen, die dann von einer frühzeitigen Diagnose und, falls erforderlich, Behandlung profitieren können. Studien haben gezeigt, dass die durchschnittliche Interpretationszeit für Radiolog*innen um etwa 22 Prozent gesenkt werden kann, wenn KI zur Unterstützung für das Auslesen, also zur Befundung, von Computertomographie(CT)-Bildern des Brustkorbs eingesetzt wird.[3]

Lungenkrebs ist weltweit die häufigste Krebserkrankung bei Männern und auch die tödlichste Krebsart.[4] Wenn es um die eigentliche Diagnose und das Auslesen medizinischer Bilder geht, kann KI Radiolog*innen unterstützen, indem sie Lungenknoten auf CT-Bildern automatisch erkennt und markiert. Nach der Segmentierung der Knoten berechnet AI-Rad Companion Chest CT automatisch deren Volumen und den maximalen zwei- und dreidimensionalen Durchmesser. Dies unterstützt die Radiolog*innen bei der Fokussierung auf diese auffälligen Bereiche. Erweisen sich die Knoten als bösartige Tumore, kann die Behandlung früher beginnen. „KI ermöglicht es, die Durchlaufzeit zu verkürzen und die Kosteneffizienz der Lungenkrebsvorsorge zu erhöhen“, erklärt Prof. Philippe Grenier vom Hopital Fôch, Frankreich. 

Wenn ein Befund vorliegt und die Therapie für die Patient*innen beginnt, kann die KI-gestützte Software auch in den Folgesitzungen eingesetzt werden. Die Überwachung und der Vergleich von Tumoren im Laufe der Zeit ist sehr arbeitsintensiv und daher kostspielig. Bei der Nachsorge können die Patient*innen nach bestimmten Rastern neu gescannt werden, um vergleichbare Bilder zu erhalten. Ein weiterer Vorteil des KI-basierten AI-Rad Companion Chest CT Algorithmus: Bei Vorsorgeuntersuchungen der Lunge kann er auch Zufallsbefunde für andere Bereiche liefern, die im Scanbereich enthalten sind, wie etwa ein vergrößerter Durchmesser der Aorta. Das ist möglich, da der KI-Algorithmus automatisch das gesamte CT-Bild des Brustkorbs analysiert und sich nicht nur auf die Lunge konzentriert, wie es Radiolog*innen normalerweise tun würden. 

Im Fall von Prostatakrebs, wo die Magnetresonanztomographie (MRT) in der Regel die Bildgebungsmethode der Wahl ist, hat Siemens Healthineers den AI-Rad Companion Prostate MR speziell entwickelt, um Radiolog*innen bei der Biopsie zu unterstützen: Die Software führt eine automatische Segmentierung sowie eine automatische Volumenabschätzung der Prostata durch. Wenn der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA) bekannt ist, kann die KI darauf basierend die PSA-Dichte berechnen. Radiolog*innen können Läsionen und andere Ziele manuell markieren und charakterisieren sowie Kommentare hinzufügen. Segmentierungen, gefundene Ziele sowie eingebrannte Konturen können für die Urolog*innen exportiert werden, um sie mit Ultraschallbildern zur Biopsieführung zu fusionieren.

Die AI-Rad Companion Familie von KI-gesteuerten Lösungen hilft auch im Kampf gegen Krebs – von der radiologischen Unterstützung für Lunge und Prostata bis hin zur automatischen Konturierung der Organe in der Therapieplanung.

Um die Genauigkeit der Diagnose zu erhöhen und die Früherkennung von Brustkrebs zu beschleunigen, hat Siemens Healthineers einen speziellen KI-gestützten Algorithmus in seine Mammographie-Befundungssoftware2 integriert. Dieser wurde mit mehr als einer Million herstellerübergreifender Daten aus der ganzen Welt trainiert und leistet in zweifacher Hinsicht Unterstützung: Zum einen hilft der Algorithmus Radiolog*innen dabei, diejenigen Fälle zu priorisieren, die mit größerer Wahrscheinlichkeit bösartig sind, indem er diese auf einer Skala von 1 bis 10 einordnet. So können Patient*innen mit einem als verdächtig eingestuften Befund ihre Diagnose und die anschließende potenzielle Behandlung früher erhalten. 

Zum anderen bietet die Software die Analyse lokaler Regionen für bestimmte Bereiche und arbeitet auf interaktive Weise, um Radiolog*innen bei der genaueren Befundung zu helfen.[5] Sehen Radiolog*innen auf einer Mammographie- oder Tomosynthese-Aufnahme eine Anomalie, können sie auf die verdächtige Region klicken und erhalten dann eine Einschätzung auf einer Skala von 1 bis 95, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bösartiger Tumor vorliegt. „Da das Screening immer präziser wird, kann bei gleicher Sensitivität bei mehr Frauen auf eine weitere Untersuchung im Krankenhaus verzichtet werden,“ sagt Radiologe Dr. Ritse Mann vom Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande.

Mammography image

Wenn sich Patient*innen einer Strahlentherapie unterziehen müssen, so ist ein sorgfältig erstellter Behandlungsplan von entscheidender Bedeutung: Dessen Ziel besteht darin, Krebszellen zu zerstören und gleichzeitig gesundes Gewebe und Organfunktionen zu erhalten, um das beste Ergebnis für die Patient*innen zu erzielen. Einen solchen Plan zu erstellen, ist komplex. RapidPlan™, die wissensbasierte Planung von Varian, einem Unternehmen von Siemens Healthineers, ist ein Tool für maschinelles Lernen, das Best Practices aus vorherigen erfolgreichen Behandlungsplänen untersucht und wissensbasierte Behandlungsmodelle erstellt. Diese RapidPlan-Modelle helfen bei der schnellen Erstellung und Validierung neuer hochwertiger Behandlungspläne auf der Grundlage gemeinsamer Fachkenntnisse.

Darüber hinaus müssen die behandelnden Strahlentherapeut*innen vor Beginn der eigentlichen Strahlentherapie die Risikoorgane auf der Grundlage von CT-Bildern konturieren, um eine präzisere Dosisverteilung sowie eine Optimierung der Strahlentherapie zu gewährleisten und dabei gesunde Risikoorgane in der Nähe eines Tumors vor unnötiger Strahlung zu bewahren. Damit dies automatisch und ohne mühsame manuelle Arbeit geschieht, bietet Siemens Healthineers verschiedene KI-basierte Autokonturierungs-Lösungen an , wie zum Beispiel AI-Rad Companion Organs RT. „Die standardisierten Algorithmen liefern die gleiche Präzision wie ein erfahrener Strahlentherapie-Experte – mit stets gleichbleibenden Ergebnissen. Die manuelle Konturierung kann von Anwender zu Anwender variieren, was sich auf die Behandlung auswirkt“, erklärt Dr. Manuel Algara López vom Hospital del Mar in Barcelona, Spanien.



Die Rolle der künstlichen Intelligenz endet jedoch nicht mit der Behandlungsplanung – sie kann auch die individuelle Krebsbehandlung unterstützen. Im Verlauf einer Bestrahlung, die zwischen einer und sieben Wochen dauern kann, kommt es zu anatomischen Veränderungen im Tumor sowie im umliegenden gesunden Gewebe. Die „adaptive Therapie“ ist eine Möglichkeit, diesen Veränderungen innerhalb weniger Minuten Rechnung zu tragen: Das Ethos Therapy™-System von Varian ist in der Lage, für individuelle Patient*innen täglich einen neuen Bestrahlungsplan zu erstellen, der auf den aktuellen anatomischen Bildern basiert, die kurz vor der Behandlung aufgenommen wurden – statt die gesamte Behandlung auf einen CT-Scan zu stützen, der Tage oder sogar Wochen vor Behandlungsbeginn erstellt wurde. Ethos ermöglicht es, Patient*innen gezielter zu behandeln und die Auswirkungen auf andere Gewebe und Organe zu minimieren.

„Die Möglichkeit, Behandlungen an die täglichen Gegebenheiten anzupassen, bringt bereits enorme Vorteile mit sich“, so Trent Aland, Group Director of Medical Physics der Icon Group in Australien. „Da unsere klinischen Teams über einen Mix an Fähigkeiten verfügen, einschließlich der Behandlung von Prostata, Kopf und Hals sowie Thorax, sehen wir die Chance, adaptive Arbeitsabläufe für ein breites Spektrum von Patienten zu entwickeln und anzubieten. Wir überdenken auch, ob wir unseren Patient*innen lästige Vorbereitungen wie eine volle Blase und einen leeren Darm zumuten müssen.“

All diese Beispiele zeigen, wie Künstliche Intelligenz Ärzt*innen in ihrem täglichen Kampf gegen den Krebs unterstützen kann, um Patient*innen eine frühere und präzisere Diagnose sowie eine schnellere und genauere Therapieplanung und -behandlung zu ermöglichen.


Von Kathrin Palder

Kathrin Palder ist Redakteurin bei Siemens Healthineers.