Nachhaltigkeit

Wege zu nachhaltigem Krankenhausmanagement

Das japanische Kashiwaba Neurosurgical Krankenhaus hat sich neu erfunden, um ein nachhaltigeres Zeitalter der Pflege zu schaffen, das sich dem Dienst an der Gemeinschaft verpflichtet.
Tim Hornyak
Veröffentlicht am August 26, 2024

"In Japan gab es schon immer eine Kultur der Mottainai oder die Wiederverwendung dessen, was verwendet werden kann, aber das wurde nicht an Krankenhäuser angepasst", sagt Dr. Shunsuke Terasaka, Vorsitzender und Präsident des Kashiwaba Neurosurgical Krankenhauses, einer Einrichtung mit 144 Betten in der Stadt Sapporo, der Hauptstadt von Japans nördlichster Hauptinsel Hokkaido. "Bei Kashiwaba legen wir großen Wert auf die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen", sagt der erfahrene Hirnchirurg. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiter*innen setzte er sich konkrete Ziele, um die Mottainai-Kultur in ihre Gesundheitseinrichtung einfließen zu lassen. 

Die COVID-19-Pandemie war einer der Faktoren, die den Wandel erzwangen. Als die Vorräte knapp wurden, begann das Logistikzentrum von Kashiwaba, Barcodes auf allen medizinischen Hilfsgütern zu verwenden, um sicherzustellen, dass sie vor ihrem Verfallsdatum verwendet wurden, um Abfall zu minimieren. Darüber hinaus bestellt Kashiwaba die notwendigen Vorräte nur dann, wenn sie benötigt werden, was die Belastung der Lieferkette verringert. Das Krankenhaus nutzt medizinische Geräte, Verbrauchsmaterialien und Logistik mit einem achtsamen Fußabdruck – innerhalb und außerhalb der Einrichtung. Dabei begrüßt die Klinikleitung auch die Bemühungen von Medtech-Unternehmen, Materialien im Lebenszyklus wiederzuverwenden oder aufzuarbeiten.

Im Jahr 2018 erlebte das Krankenhaus schwere Zeiten, als es ein starkes Erdbeben traf – eine ständige Bedrohung in Japan. Es verursachte einen dreitägigen Stromausfall und beeinträchtigte massiv die Lieferkette der Lebensmittelversorgung. "Zu dieser Zeit hatte unser Krankenhaus einen Vertrag mit einem Lebensmittelunternehmen in Honshu und war nicht in der Lage, den Patientinnen und Patienten zufriedenstellende Mahlzeiten anzubieten, bis der Transport wiederhergestellt war. Anwohnerinnen und Anwohner lieferten Gemüse und andere Dinge an das Krankenhaus, aber wir wurden durch den Vertrag behindert und waren nicht in der Lage, ihre freundlichen Spenden an unsere Patientinnen und Patienten zu liefern", erzählt Terasaka.


Shunsuke Terasaka, MD chairman and president of Kashiwaba Neurosurgical Hospital

"Hokkaido ist der einzige Ort in Japan, der eine 100-prozentige Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln erreichen kann", sagt Terasaka. "Es wird allgemein gesagt, dass Krankenhausessen nicht schmackhaft ist, aber wir wollen das Gegenteil beweisen“. Jetzt werden Produkte von lokalen Fischer*innen und Landwirt*innen in die Mahlzeiten für Patient*innen und Personal aufgenommen, und einige werden an einem Kiosk im Empfangsbereich des Krankenhauses verkauft.

Der enorme demografische Wandel in Japan ist auch eine der größten Herausforderungen für Terasaka bei der Rekrutierung von Personal und der Versorgung im Krankenhaus. Aufgrund der niedrigen Geburtenrate des Landes altert die Bevölkerung rapide – fast ein Drittel der Japaner*innen ist 65 Jahre oder älter und ein Zehntel ist 80 Jahre oder älter. Dies stellt eine zunehmende Belastung für Pflegezentren dar, die Krankheiten wie Schlaganfall und Demenz behandeln, sowohl in Bezug auf höhere Fallzahlen als auch auf weniger junges Personal. 

Als Reaktion darauf musste Kashiwaba durch die digitale Transformation intelligenter arbeiten. Um die Produktivität zu maximieren und unnötige Arbeit zu reduzieren, verwenden die Mitarbeiter*innen Smartphone-Spracheingabe und Cloud-basierte Pflegeakten. Früher mussten die vielen Physiotherapeut*innen, die Patient*innen bei der Rehabilitation unterstützen, die Sitzungsdaten manuell eingeben. Jetzt zeichnen sie die Daten während der Sitzung per Spracheingabe auf und ziehen die Inhalte in der App auf einen PC. Für diese Innovation wurde das Krankenhaus zwei Jahre in Folge mit dem Advanced Nursing Practice Efficiency Award ausgezeichnet.

Um den Personalbedarf weiter zu decken und die Sustainability Development Goals zu qualitativ hochwertiger Bildung, Abbau von Ungleichheiten und Partnerschaften zu verfolgen, rekrutiert das Krankenhaus auch aktiv Auszubildende aus dem Ausland. 

Worshangphi Ngalung ist eine Krankenpflegerin aus Manipur im Nordosten Indiens, die im Rahmen dieses technischen Praktikumsprogramms bei Kashiwaba gearbeitet hat. Sie lernte sechs Monate lang Japanisch, bevor sie 2020 nach Hokkaido kam, und hat es nie bereut. 

"Bei meiner Arbeit geht es darum, mich um die Patientinnen und Patienten zu kümmern und ihnen bei ihren körperlichen Bedürfnissen zu helfen, um eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten", sagt Ngalung. "Ich liebe es, hier zu arbeiten. Meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr hilfsbereit, nett und rücksichtsvoll. Die Patientinnen und Patienten sind sehr nett und respektvoll. Es ist sehr wichtig für mich, an einem nachhaltigen Arbeitsplatz zu arbeiten, der mich motiviert und mich herausfordert, jeden Tag ein besserer Mensch zu sein."

Um die Einrichtung noch widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen, kündigte Terasaka 2018 ein Projekt zum Bau eines Krankenhauses der nächsten Generation an. Das Sapporo Kashiwabakai Hospital mit seiner charakteristischen, versetzt angeordneten, runden Architektur wird ein siebenstöckiges Krankenhaus mit 167 Betten im Stadtteil Minami-hiragishi mit einer Gesamtfläche von 13.000 Quadratmetern sein. 

Nach seiner Eröffnung im Dezember 2024 wird es die fortschrittlichste neurochirurgische Bildgebung, Behandlung neurologischer Erkrankungen und Rehabilitation bieten. Zudem wird es eine große Grünfläche für Therapie und Heilung geben. Durch die Value Partnership unterstützt Siemens Healthineers das Krankenhaus dabei, eine hochwertige medizinische Versorgung im Bereich der Neurochirurgie und der modernen Akutversorgung in Hokkaido gewährleisten zu können. 

Ziel ist die Schaffung einer intelligenten Notaufnahme samt ‘nahtlosem’ Operationssaal für dringende endovaskuläre Behandlungen und fortgeschrittene zerebrovaskuläre Chirurgie. Eine der häufigsten Todesursachen und die Hauptursache für langfristigen Pflegebedarf in Japan sind Hirninfarkte – ein akuter Schlaganfall, der eine intravenöse tPA-Therapie innerhalb von 4,5 Stunden nach Beginn oder eine Katheterisierung innerhalb von acht Stunden erfordert. 

Das neue Krankenhaus wird mit CT-, Angiographie- und MRT-Systemen von Siemens Healthineers ausgestattet sein. Das Ziel ist die Verbesserung von Arbeitsabläufe bei fortgeschrittenen endovaskulären Behandlungen, indem die Systeme so angeordnet und die Patientenströme so gestaltet werden, dass die Fahrtzeit der Patient*innen und die mit den Fahrten verbundene Belastung reduziert werden. Live-Videoübertragungen, welche sowohl multidimensionale Informationen als auch chirurgische Bilder integrieren, werden den Operationssaal mit der Außenwelt verbinden können, was die Möglichkeiten für Entwicklungsgespräche und Ausbildung bietet.

Die neue Anlage ist als Netto-Null-Emissionsgebäude konzipiert, das etwa energieeffiziente Beleuchtung und doppelt verglasten Fenster aufweist. Es wird auch als Notfall-Evakuierungszentrum dienen und über Außenbänke verfügen, die in Kochherde umgewandelt werden können, um bis zu 1.800 Menschen zu ernähren. 

"Um Systeme und Gewohnheiten zu ändern, braucht man eine Philosophie und konkrete Ziele. Niemand wird zurückgelassen: Das ist die Philosophie der Sustainability Development Goals der UN", sagt Terasaka. "Das ist die Strategie, die wir auch im nächsten Kapitel der Geschichte unseres Krankenhauses als wichtiger Teil der Gemeinschaft verfolgen werden."


Von Tim Hornyak
Tim Hornyak ist ein kanadischer Autor mit Sitz in Tokio, Japan, der seit mehr als 20 Jahren im Journalismus tätig ist. Er hat ausführlich über Technologie, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Kultur und Wirtschaft in Japan geschrieben, ebenso wie über japanische Erfinder, Robotiker und Nobelpreisträger in der Wissenschaft.